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Die Möglichkeiten einer Beschlagnahme und Einziehung beim Täter, aber auch einer Beschlagnahme und Einziehung beim Dritten sind unter dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung geradezu uferlos. Daher soll im heutigen dritten Teil der Beitragsreihe die Frage beantwortet werden, ob es denn Ausnahmen von Beschlagnahme und Einziehung gibt.

Erster Grundsatz: Kein Ermessen bei der Einziehung

Der Grundsatz lautet: liegen die Voraussetzungen einer Einziehung vor, so muss eingezogen werden, einen Ermessensspielraum hat das Gericht nicht. Begründung: Der Wortlaut des Gesetzes, das da lautet (etwa in § 73 StGB): „…, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.“

Zweiter Grundsatz: Ermessen bei der Beschlagnahme

Hier lautet der Grundsatz: liegen die Voraussetzungen einer Einziehung vor, so besteht für die vorläufige Vermögenssicherstellung ein Anordnungsermessen (‚kann‘), § 111b Absatz 1 Satz 1 StPO. Sprechen jedoch dringende Gründe für ein Vorliegen der Einziehungsvoraussetzungen, so wird aus dem ‚Kann‘ ein ‚Soll‘, § 111b Absatz 1 Satz 2 StPO. Entsprechendes gilt für den Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen zur Sicherung der Wertersatzeinziehung gemäß § 111e StPO. In der Praxis – so steht zu befürchten – wird die vorläufige Vermögenssicherstellung der Regelfall sein.

Wie bereits im ersten Teil der Beitragsreihe dargestellt, droht dann das gesamte Vermögen des Betroffenen erfasst zu werden – mit der regelmäßigen Folge einer Insolvenz. Hier wird es Aufgabe des Verteidigers sein, bereits frühzeitig mäßigend auf die Staatsanwaltschaft einzuwirken und klar zu machen, dass ein solches Vorgehen auch einer verständigen Lösung der Sache entgegensteht.

Ausnahme von der Einziehung

Das Gesetz regelt zwei Fälle, in denen die Einziehung ausgeschlossen ist:

1. Die Einziehung ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch des Verletzten auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Wertersatz erloschen ist, § 73e Absatz 1 StGB. Und wann ist der Anspruch des Verletzten erloschen? Erloschen ist der Anspruch insbesondere dann, wenn er erfüllt ist.

Der Täter bzw. der Dritte kann also durch rechtzeitige Rückgabe des Erlangten bzw. durch rechtzeitige Leistung von Wertersatz verhindern, dass eine Beschlagnahme- oder Einziehungsanordnung ergeht, wodurch ja sein Vermögen viel umfassender betroffen sein könnte.

2. Die Einziehung ist auch ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zum Zeitpunkt der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, § 73e Absatz 2 StGB. Das ist der Fall einer sogenannten Entreicherung (Beispiel: das Geld wurde für eine Urlaubsreise ausgelegt).

Eine solche Einrede – man hätte es sich denken können – steht aber nur dem sogenannten gutgläubigen Dritten zu. Derjenige, der die Umstände, unter denen eine Einziehung möglich gewesen wäre, kennt oder nur aufgrund von Leichtfertigkeit nicht kennt, kann sich hierauf also nicht berufen.

Absehen von der Einziehung

Das Gericht kann (Ermessen!) von einer Einziehung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft absehen, wenn

  • entweder das Erlangte einen geringen Wert hat
  • oder die Einziehung neben der zu erwartenden Strafe (bzw. Maßregel der Besserung und Sicherung) nicht ins Gewicht fällt
  • oder das Einziehungsverfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde,

§ 421 StPO.

Diese Bestimmung ist deshalb von besonderem Interesse für die Verteidigung, weil das Absehen von der Einziehung Gegenstand einer strafprozessualen Verständigung sein kann – im Gegensatz zu den Fällen, in denen eine Einziehung zwingend erfolgen muss (siehe dazu oben).

Der Strafverteidiger wird also überlegen müssen, ob die Voraussetzungen des § 421 StPO vorliegen und dann gegebenenfalls auf seine Anwendung dringen.