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§ 15c Abs. 1 S. 1 PolG NRW lautet:

„Die Polizei kann bei der Durchführung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mittels körpernah getragener Aufnahmegeräte offen Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.“

Mittlerweile sind hierzulande alle Polizisten mit Bodycams ausgestattet. Fälle, in denen Bodycams eine Rolle spielen, sind mittlerweile häufig. Daher möchte ich mich diesem Thema einmal widmen. Dazu folgende Fälle aus der Praxis:

Dem Mandanten wird Beleidigung eines Polizeibeamten (§ 185 StGB) oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) oder tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) vorgeworfen. Der Mandant bestreitet die Tat. Der Polizist trug eine Bodycam, hatte diese aber nicht eingeschaltet oder der Polizist hatte die Bodycam erst ein-, dann aber wieder ausgeschaltet – wobei sich die Tat ereignet haben soll, während die Bodycam wieder ausgeschaltet war, oder der Polizist hatte die Bodycam zwar durchgehend eingeschaltet, aber das Video ist später nicht mehr vorhanden.

Sind Polizisten verpflichtet sind, die Bodycam einzuschalten? Welche Konsequenz hat es für das Strafverfahren, wenn die Bodycam nicht eingeschaltet wird? Und was gilt, wenn sie erst ein-, dann aber wieder ausgeschaltet wird oder wenn das Video später nicht mehr vorhanden ist?

Keine gesetzliche Pflicht zur Anfertigung von Bodycam-Aufzeichnungen

§ 15c Abs. 1 S. 3 PolG NRW regelt:

„Über die Anfertigung der technischen Aufzeichnungen entscheidet die das Aufnahmegerät tragende Polizeivollzugsbeamtin oder der das Aufnahmegerät tragende Polizeivollzugsbeamte anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls.“

Laut Aussage einer Polizeizeugin in einer kürzlichen durchgeführten Hauptverhandlung existiert jedoch eine Dienstanweisung, wonach Polizisten ihre Bodycam bereits dann, wenn eine Konfliktsituation lediglich absehbar ist, einschalten müssen.

Es darf also angenommen werden, dass es einen dienstrechtlichen Verstoß darstellt, wenn Bodycams in derlei Situationen nicht eingeschaltet werden.

Konsequenz für das Strafverfahren, wenn keine Bodycam-Aufzeichnung angefertigt wird

Was aber folgt hieraus für das Strafverfahren? Bei zahlreichen, wenn nicht den meisten Richtern besteht offenkundig die Neigung, den Aussagen von Polizeizeugen mehr Gewicht beizumessen als anderen Zeugenaussagen. M. E. ist jedenfalls dann eine besonders kritische Würdigung vorzunehmen, wenn eine Bodycam nicht eingeschaltet war. Dies gilt umso mehr, wenn – wie es in der Praxis regelmäßig der Fall ist – mehrere Polizisten zugegen waren und diese sämtliche keine Aufzeichnung angefertigt haben.

Konsequenz für das Strafverfahren, wenn die Bodycam später oder zwischenzeitlich ausgeschaltet wird bzw. wenn das Video später nicht mehr vorhanden ist

Zu äußerster Skepsis besteht Anlass, wenn eine Bodycam erst ein- und dann (angeblich) wieder ausgeschaltet wird, sich die Tat aber gerade ereignet haben soll, als die Bodycam wieder ausgeschaltet war.

Unlängst habe ich in einer Sache verteidigt, wo trotz Anwesenheit mehrerer Polizisten (nur) der mittlere Teil des Geschehens nicht aufgezeichnet wurde – der Teil, in dem sich der Mandant verletzt wurde. Das Verfahren gegen den Mandanten wurde eingestellt, allerdings erst in der Berufungsinstanz.

Entsprechendes gilt, wenn die Bodycam zwar angeschaltet war, zum Zeitpunkt der Akteneinsicht jedoch das Video nicht mehr auffindbar ist. Zwar sieht § 15c Abs. 4 PolG NRW vor, dass Aufzeichnungen zwei Wochen nach ihrer Anfertigung zu löschen sind. Dies gilt aber u. a. nicht, wenn es sich um ein laufendes Strafverfahren handelt.

Bedeutung für die Praxis der Strafverteidigung

Der Strafverteidiger muss dafür kämpfen, dass sich auch bei den Strafrichtern zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass Polizisten keine besseren Zeugen sind und dass jedenfalls dann, wenn Anlass bestand, die Bodycam einzuschalten, dies aber nicht geschieht bzw. Aufzeichnungen später nicht mehr vorhanden sind, Aussagen von Polizisten mit größter Skepsis zu begegnen ist.

Es folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass Bodycams nicht einseitig der Polizei zur Eigen- und Beweissicherung dienen dürfen, sondern auch dem Bürger zu seiner Entlastung dienen müssen.

Davon zu trennen ist die Frage, ob Bodycams auch dem Nachweis möglichen polizeilichen Fehlverhaltens dienen sollen – was vielleicht der Grund für ihren selektiven Gebrauch sein mag. Etwa in den USA ist längst anerkannt, dass Bodycams ein Instrument sind, das den Bürger vor Polizeigewalt schützen soll.