Um zu verstehen, worum es in einem Strafverfahren geht, muss man auch die verschiedenen Verfahrensbeteiligten und ihre jeweilige Stellung im Strafverfahren kennen. Nach Beiträgen zu Strafverteidiger, Staatsanwalt, Richter bzw. Gericht und Dolmetscher diesmal über Sachverständige.
Allgemeines
Im Unterschied zum Zeugen, der ausschließlich über seine Wahrnehmungen in der Vergangenheit aussagt, kommt der Einsatz von Sachverständigen – verkürzt gesagt – in zweierlei Hinsicht in Betracht: Zum einen kann der Sachverständige abstrakt zum Wissen seiner Disziplin befragt werden oder sein Wissen auf einen konkreten Sachverhalt (also bekannte Tatsachen) anwenden (also Schlussfolgerungen ziehen); zum anderen kann der Sachverständige damit beauftragt werden, unter Anwendung seines Wissens bestimmte, bislang unbekannte Tatsache zu ermitteln. Auch wenn der Einsatz von Sachverständigen der unterschiedlichsten Disziplinen zu den verschiedensten Fragestellungen möglich ist und auch erfolgt, so ist ein typisches Aufgabengebiet die Erstellung von Schuldfähigkeitsgutachten und Gutachten zur Kriminalprognose. Aufgrund ständiger Verschärfung der Gesetze und erheblich gestiegener Unterbringungszahlen im Maßregelvollzug und in der Sicherungsverwahrung hat letzteres in den letzten 20 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.Anforderungen an Qualifikation und Gutachten
Gestiegene Anforderungen des Gesetzgebers, vor allem aber die Festlegung von Mindeststandards durch die Rechtsprechung haben – wenn auch immer noch als unzureichend angesehen – die Anforderungen an die Sachverständigengutachten und damit letztlich an die Qualifikation des Sachverständigen deutlich erhöht. Hieraus resultiert ein erheblicher Mangel an qualifizierten Sachverständigen. Angesichts der Tragweite ihrer Begutachtung für den Angeklagten, aber auch für die Öffentlichkeit, handelt es sich um einen eklatanten Missstand. Dieser Missstand wird noch dadurch verschärft, dass die Einflussmöglichkeiten der Verteidigung sehr beschränkt sind:- Auf die Auswahl des Sachverständigen hat der Strafverteidiger regelmäßig nur geringen Einfluss.
- Ein Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens kann relativ leicht zurückgewiesen werden.
- Das Selbstladungsrecht ist an unnötige Formalien gebunden; zudem ist die Stellung eines eigenen Gutachters für die meisten Angeklagten finanziell nicht zu bewältigen.