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Seit 2018 berichte ich in unregelmäßigen Abständen über die EU-Whistleblower-Richtlinie: ihren Inhalt und ihre (fehlende) Umsetzung in nationales Recht – zuletzt hier:

https://strafverteidiger-schlei.de/compliance-eu-whistleblower-richtlinie-zweites-update/

Nun ist die Umsetzungsfrist fruchtlos verstrichen:

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/whistleblower-richtlinie-nicht-umgesetzt-folgen-geltung/

Die unbegründete Angst vor dem internen Hinweisgebersystem

Man kann nur rätseln, was die wahren Beweggründe dieser Verzögerungstaktik sind.

Vielleicht ist es ja so, wie ein Kollege, der ungenannt bleiben soll, vor einer Weile nahezu wörtlich in einer renommierten Fachzeitschrift schrieb: Es sei zu befürchten, dass die angedachten gesetzlichen Möglichkeiten auch von Querulanten genutzt würden, was Unfrieden und ein Mehr an Bürokratie und Aufwand bedeute. Dabei seien doch potentielle Hinweisgeber bereits jetzt gemäß § 612a BGB umfänglich gegen jedwede Maßregelung geschützt.

Das wahre Interesse des Unternehmens

Es ist nicht übertrieben zu sagen: Da hat jemand etwas grundlegend nicht verstanden; Begründung:

Ob Hinweisgeber bereits derzeit umfassend geschützt sind, darf arg bezweifelt werden, soll hier aber zunächst nicht weiter erörtert werden.

Das Mehr an Bürokratie erschöpft sich jedenfalls in der Installation eines softwarebasierten anonymen Hinweisgebersystems, das mittlerweile als eines von mehreren Standardprodukten schnell, einfach und für geringes Entgelt zu implementieren ist. Idealerweise werden Hinweise dann von einer externen Ombudsperson ausgewertet, die typischerweise für eine überschaubare monatliche Pauschale unter Wahrung der Anonymität kompetent prüft, was es mit der jeweiligen Meldung auf sich hat.

Vor allem aber: Die Implementierung der EU-Whistleblower-Richtlinie liegt im ureigensten Interesse des Unternehmens. Mit Implementierung der EU-Whistleblower-Richtlinie und Einrichtung eines entsprechenden internen Hinweisgebersystems kann der vorschnellen Meldung an die zuständige Behörde oder gar an die Öffentlichkeit mit in der Regel sehr rufschädigen Folgen bis hin zur Existenzbedrohung effizient begegnet werden. Fakt ist nämlich: 90 % aller Hinweisgeber bevorzugen zunächst eine interne Klärung ihres Anliegens. Auch nach dem Willen der EU-Whistleblower-Richtlinie soll daher die interne Meldung Vorrang vor der externen haben.

Viele Unternehmen der Privatwirtschaft haben das aber auch längst verstanden und ungeachtet der fehlenden Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie bereits ein Hinweisgebersystem der vorgenannten Art implementiert. Für den öffentlichen Sektor hat die EU-Whistleblower-Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist ohnehin unmittelbare Geltung erlangt.