Der Bundestag hatte am 23.02.2024 den Regierungsentwurf „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ (nachfolgend „Cannabisgesetz“ oder „CanG“ genannt) angenommen, und zwar in der Ausschussfassung (also unter Berücksichtigung der vom 14. Ausschuss für Gesundheit beschlossenen Änderungsvorschläge.) Auf einige wesentliche Abweichungen zwischen Regierungsentwurf und Ausschussfassung werde ich nachstehend hinweisen. Die vollständige Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses findet sich hier:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/104/2010426.pdf
Dem hat der Bundesrat am 22.03.2024 zugestimmt, ohne den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Nach Ausfertigung und Verkündung könnte das Gesetz nun zum 01.04.2024 in Kraft treten.
Nachstehend ein rascher erster Überblick (weitere Aspekte werden voraussichtlich in gesonderten Beiträgen dargestellt):
Kernpunkte des Cannabisgesetzes
Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ist es nun erlaubt, 25 Gramm Pflanzenmaterial Cannabis zum (nichtmedizinischen) Zwecke des Eigenkonsums zu besitzen (Cannabis zu medizinischen Zwecken unterfällt dem Medizinal-Cannabisgesetz); in der Wohnung („an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt“) dürfen es sogar 50 Gramm sein, alternativ bis zu drei lebende Cannabispflanzen. Dabei bleibt der Konsum in Anwesenheit von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verboten ebenso wie der Konsum in gewissen Bereichen wie um Schulen, Kinderspielplätzen etc.
Strafbar macht sich aber – aufgrund der Änderungsvorschläge des Gesundheitsausschusses nur, wer mehr als 30 bzw. 60 Gramm Cannabis (alternativ: mehr als drei lebende Cannabispflanzen) besitzt. Mengen zwischen 25 und 30 Gramm bzw. 50 und 60 Gramm stellen nunmehr eine Ordnungswidrigkeit dar.
Der grundsätzliche Strafrahmen fällt mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geringer aus als der bisherige Strafrahmen nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) mit von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
Erlaubt ist auch die Einfuhr Cannabissamen zum Zweck des privaten Eigenanbaus oder des gemeinschaftlichen Eigenanbaus von Cannabis in sogenannten Anbauvereinigungen, aber nur aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union (dem komplexen Thema der Anbauvereinigungen werde ich mich ggf. in einem gesonderten Beitrag widmen).
Erlaubt ist schließlich der Umgang mit Cannabissamen, wenn diese nicht dem unerlaubten Anbau dienen.
Gewerblicher Umgang mit Cannabis sowie Weitergabe an Kinder und Jugendliche bleiben weiterhin strafbewehrt.
Die Herstellung und das Inverkehrbringen von synthetischen Cannabinoiden unterfällt ohnehin weiterhin (der Strafbarkeit nach) dem Betäubungsmittelgesetz.
Eintragungen im Bundeszentralregister sind auf Antrag zu tilgen, wenn die Tat nach neuem Recht nicht mehr strafbar wäre. Auch hierauf werde ich ggf. in einem separaten Beitrag näher eingehen.
Ich erspare dem Leser hier die Wiedergabe weiterer Einzelheiten, die z. B. hier recht gut aufbereitet sind:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz
Unklarheiten = künftige Streitpunkte
Wie gesagt und wie zu erwarten, bleibt der Handel mit Cannabis strafbar. Schwierigkeiten bereitet, dass das Cannabisgesetz grundsätzlich auf Pflanzenmengen abstellt, es hier aber auf den Wirkstoffgehalt ankommen soll. Im Regierungsentwurf (dort S. 132) hieß es dazu:
„Der konkrete Wert einer nicht geringen Menge wird abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sein. Im Lichte der legalisierten Mengen wird man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und wird der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit.“
Ich halte es für verfassungsrechtlich bedenklich, wenn der Gesetzgeber es erneut der Rechtsprechung überlässt zu bestimmen, welche Tatbestandsvoraussetzungen ein Verbrechenstatbestand hat. Da es ja ausschließlich um Cannabis geht, besteht keine Notwendigkeit für einen unbestimmten Rechtsbegriff, denn entscheidend kommt es nicht auf die jeweilige Pflanzenmenge an, sondern auf den Wirkstoffgehalt, also die nicht geringe Menge THC. Hierzu aber hatte die bisherige Rechtsprechung eine feste Zahl etabliert. Dies soll erneut der Fall sein. Auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls kommt es dann insofern nicht an. Diese Festlegung hätte daher der Gesetzgeber treffen können und müssen.
Seit geraumer Zeit wird eine Angleichung der Grenzwerte für Alkohol und Cannabis beim Führen eines Kraftfahrzeugs gekämpft.
Im Regierungsentwurf (dort S. 90) hieß es dazu:
„Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wird die für die Zulässigkeit des Führens von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen maßgeblichen Grenzwerte für Tetrahydrocannabinol (THC) im Rahmen des § 24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) auf wissenschaftlicher Grundlage untersuchen und ermitteln. Hierzu wird eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe bestehend aus Experten der Bereiche Medizin, Recht und Verkehr unter Federführung des BMDV mit dem Ziel einer ergebnisoffenen Untersuchung und Ermittlung eines ggf. gesetzlich festzulegenden THC-Grenzwertes im Rahmen des § 24a Absatz 2 StVG eingerichtet. Ergebnisse der Arbeitsgruppe sollen im Frühjahr 2024 vorliegen.“
Der Gesundheitsausschuss hat nun die Ergänzung eines § 44 CanG (THC-Grenzwerte im Straßenverkehr) durchgesetzt:
„Eine vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr eingesetzte Arbeitsgruppe schlägt bis zum 31. März 2024 den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol im Blut vor, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist.“
Fazit und Bedeutung für die Praxis der Strafverteidigung
In laufenden und künftigen Strafverfahren wegen Handeltreibens u. ä. wird der Strafverteidiger hart um den Begriff der nicht geringen Menge und – hilfsweise – ihre zutreffende Bestimmung ringen müssen.
Auch wenn die Ergebnisse der Arbeitsgruppe noch ausstehen: Auch in allen Verfahren wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss muss man für die Berücksichtigung des (absehbar) höheren Grenzwertes kämpfen.
Es ist zumindest unbefriedigend, dass Eintragungen im Bundeszentralregister, wenn die Tat nach neuem Recht nicht mehr strafbar wäre, nur auf Antrag zu tilgen sind.
Unbehagen bereitet u. a. auch, dass die sogenannten Anbauvereinigungen umfassender staatlicher Überwachung unterliegen, was z. B. umfasst, dass der zuständigen Behörde das Konsumverhalten ihrer Mitglieder mit allen personenbezogenen Daten offenzulegen ist:
„Anbauvereinigungen haben die Aufzeichnungen der Angaben nach Absatz 1 fünf Jahre aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen elektronisch zu übermitteln.“
Da nach vier Jahren evaluiert werden soll, ob das Cannabisgesetz erfolgreich war. Angenommen, es stellt sich heraus, dass das nicht der Fall war und die Liberalisierung findet ein Ende: Was passiert dann mit diesen Daten?
Insgesamt dürfte das Cannabisgesetz nur in den Fällen echte Liberalisierung bringen, die bereits nach bisherigem Recht nicht oder gering geahndet wurden. Im Übrigen bleibt es bei der Strafbarkeit, wenn zumeist auch mit geringeren Strafrahmen. Neu hinzugekommen ist aber eine Vielzahl von Unklarheiten und somit möglicher Streitpunkte.
Hier finden Sie meine anderen Beiträge zum Thema Betäubungsmittel:
https://strafverteidiger-schlei.de/category/betaeubungsmittel/