Für Arbeitgeber ist das Thema „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“, das in § 266a StGB in vielfältiger Weise unter Strafe gestellt ist, von großer Praxisrelevanz; zudem enthält § 8 Abs. 3 SchwarzArbG einen etwas versteckten Bußgeldtatbestand. Hier möchte ich mich zunächst nur mit der Strafbarkeit nach § 266a Absatz 1 StGB befassen und die weiteren Aspekte ggf. in Folgebeiträgen darstellen.
Was § 266a Absatz 1 StGB bestraft
Wer als Arbeitgeber der zuständigen Einzugsstelle Beiträge eines Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Geschützte Rechtsgüter
Nach wohl h. M. fällt nicht – wie man mit durchaus und mit guten Gründen meinen könnte – das Vermögen des betreffenden Arbeitnehmers unter den Schutzzweck der Norm, sondern geschützte Rechtsgüter sind einerseits das Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten an der Sicherstellung des nationalen Sozialversicherungsaufkommens und andererseits die Vermögen der Sozialversicherungsträger.
Potentieller Täter
Potentieller Täter ist, wer zumindest einen (1) Arbeitnehmer beschäftigt. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung eine nichtselbständige Arbeit – in erster Linie ein Arbeitsverhältnis i. S. § 611a BGB. Danach kommt es vor allem auf die Weisungsgebundenheit/persönliche Abhängigkeit an. Von größter Bedeutung ist dabei die Abgrenzung zur Scheinselbständigkeit.
Laut BGH bestimmt sich in erster Linie nach den tatsächlichen Umständen, und nicht nach dem Vereinbarten, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt (BGH, Urteil vom 13.06.2001 – 3 StR 126/01). Das entspricht auch den Maßgaben des § 7a SGB IV (dazu sogleich mehr). Dabei wird insbesondere auf Kriterien der folgenden Art abgestellt:
- Ist die betreffende Person wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb des Arbeitgebers eingebunden?
- Wer bestimmt Inhalt, Ort und Zeit der Tätigkeit?
- Trägt die betreffende Person ein eigenes unternehmerisches Risiko?
- Welcher Art ist die Vergütung?
Statusfeststellungsverfahren
Wichtig zu wissen: Nach § 7a SGB IV können potentieller Arbeitgeber wie potentieller Arbeitnehmer – und zwar auch schon vor Aufnahme der betreffenden Beschäftigung – bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Feststellung beantragen, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Teilweise wird zwar vertreten, dieses (sozialrechtliche) Statusfeststellungsverfahren entfalte für ein Strafverfahren keine Bindungswirkung. Diese Auffassung ist aber abzulehnen, weil sich die strafrechtlichen Begrifflichkeiten ja an das Sozialrecht anlehnen.
Auf die Problematik der Arbeitnehmerüberlassung in diesem Zusammenhang sowie auf die besonders komplexen Fragen rund um Beschäftigungsverhältnisse mit Auslandsbezug wird hier nicht eingegangen werden. Sollte dies in Ihrem Fall relevant sein, sprechen Sie mich gerne an.
Tatgegenstand
Tatgegenstand ist der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß § 28d SGB IV. Dies umfasst die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung. Dabei bemessen sich die Beiträge nach dem tatsächlich gezahlten Entgelt. § 14 Absatz 2 SGB IV regelt zudem:
„Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.“
Tathandlung
Vorenthalten ist die Nichtzahlung trotz Fälligkeit. Was aber gilt, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist? Nach der Rechtsprechung ist die Zahlungsunfähigkeit an sich noch kein hinreichendes Kriterium für die Annahme eines rechtswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Dieser habe aber eine Pflicht zur Liquiditätsvorsorge, sobald Liquiditätsschwierigkeiten erkennbar werden. Dann müsse der Arbeitgeber für das Vorhandensein der notwendigen Mittel sorgen, etwa indem er Rücklagen bildet. Dabei bestehe ein Vorrang der Beitragsabführungspflicht gegenüber anderen Zahlungsverpflichtungen.
Vorsatz
266a Absatz 1 StGB erfordert Vorsatz. Für dessen Annahme reicht es, wenn der Arbeitgeber auch nur einige der tatsächlichen Umstände kennt, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen. Weiß der Arbeitgeber hingegen um einige tatsächliche Umstände, die für eine Selbständigkeit der betreffenden Person sprechen, so kann nicht ohne weiteres auf Vorsatz des Arbeitgebers geschlossen werden.