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Bereits in meinem vorherigen Beitrag zum Betäubungsmittelstrafrecht hatte ich aufgezeigt, dass der Besitz von Betäubungsmitteln ausnahmsweise straflos bleiben kann. In der heutigen Folge möchte ich eine weitere Möglichkeit der Straflosigkeit darstellen: keine Klageerhebung („Absehen von der Klageerhebung“) bzw. Verfahrenseinstellung gemäß § 37 BtMG.

Absehen von der Klageerhebung

§ 37 Abs. 1 Satz 1 BtMG regelt: Wird jemand beschuldigt, eine Straftat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen zu haben, und ist keine höhere Strafe als eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu erwarten, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts vorläufig von der Erhebung der Klage absehen, wenn der Beschuldigte nachweist, dass er sich wegen seiner Abhängigkeit einer geeigneten Behandlung unterzieht, und seine Resozialisierung zu erwarten ist.

Voraussetzungen sind somit (kumulativ):

  • Die Tat muss wegen der Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sein. Bei der Tat muss es sich nicht zwingend um einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz handeln, sondern es kommen insbesondere auch Delikte in Betracht, die der direkten oder indirekten Beschaffungskriminalität zuzuordnen sind.
  • Die ansonsten zu erwartende Strafe darf maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe betragen.
  • Der Beschuldigte muss sich einer geeigneten Therapie unterziehen.
  • Seine Resozialisierung muss erwartet werden.

Geeignete Therapie

In der Praxis bereitet insbesondere der Nachweis einer geeigneten Therapie besondere Mühen. Zum einen muss die Drogenabhängigkeit therapiert werden. Zum anderen liegt häufig gleichzeitig eine therapiebedürftige Grunderkrankung psychischer Art vor.

Hier ist es Aufgabe des Verteidigers, im Zweifel gemeinsam mit einem vorhandenen Betreuer des Beschuldigten, einen geeigneten Therapieplatz in einer anerkannten Therapieeinrichtung ausfindig zu machen und die dortige Aufnahme des Beschuldigten zu organisieren. Hierzu zählen die Einholung einer Zusage der Therapieeinrichtung zur Aufnahme zu einem bestimmten Termin und die Zusage des zuständigen Trägers zur Finanzierung der Therapiekosten. Der Beschuldigte selbst wird dazu in der Regel nicht in der Lage sein, seine Angehörigen überfordert.

Umso ärgerlicher ist es dann, wenn – was vorkommt – die Staatsanwaltschaft die Therapie als ungeeignet beurteilt – etwa wegen zu kurzer Dauer. Da hilft es wenig, wenn der Staatsanwaltschaft eine solche Beurteilungskompetenz in der Kommentarliteratur abgesprochen wird.

Im Ergebnis wird der Verteidiger in der Praxis die Geeignetheit der Therapie rechtzeitig mit dem zuständigen Staatsanwalt – und dem Gericht – zu erörtern haben.

Folgen

Liegen vorgenannte Voraussetzungen vor und finden auch das OK von Staatsanwalt und Gericht, so wird von der Erhebung der Klage vorläufig abgesehen. Vorläufig deshalb, weil ja der Therapieerfolg nicht sicher feststeht. Daher sieht das Gesetz auch weiter vor, dass das Verfahren fortgesetzt wird, wenn (alternativ)

  • die Behandlung nicht bis zu ihrem vorgesehenen Abschluss fortgeführt wird,
  • der Beschuldigte den vom Staatsanwalt geforderten regelmäßigen Nachweis der Fortdauer Therapie nicht führt,
  • der Beschuldigte eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die dem Absehen von der Erhebung der Klage zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, oder
  • auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu erwarten ist.

Einstellung des Verfahrens

Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren bis zum Ende der Hauptverhandlung vorläufig einstellen. Die Anforderungen an eine solche Einstellung und der weitere Fortgang entsprechen dem zuvor dargestellten.