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Heute geht über einen häufig verwendeten und oft fehlgebrauchten Begriff, und zwar den Begriff Rechtsstaat. Dabei unternimmt dieses kurze Pamphlet nicht den Versuch, den Begriff in all seiner Komplexität oder gar (straf)rechtsgeschichtlich darzustellen. Vielmehr geht es darum, ihn in seinem heutigen, für die Rechtswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland maßgeblichen Bedeutungskern zu erfassen, um sodann darzulegen, wie mit ihm gerade auch in jüngster Zeit viel Schindluder getrieben wird.

Begriffsklärung

Der Begriff Rechtsstaat ist zwar im Grundgesetz erwähnt, es fehlt jedoch eine explizite Begriffsdefinition. Heute ist anerkannt, dass damit gemeint ist, dass alle Institutionen des Staates für ihr Handeln einer gesetzlichen Legitimation bedürfen und dabei auch nur in den Schranken dieser Gesetze handeln dürfen. Die Gesetze wiederum müssen die grundgesetzlichen Maßgaben beachten, die Menschenrechte ohnehin. Anders ausgedrückt schützt der Rechtsstaat den Bürger vor staatlicher Willkür. Das entspricht den historischen Wurzeln des Begriffs, die darin liegen, das Handeln der seinerzeit zunächst noch feudalen Herrscher an Regeln zu binden und so willkürliches Handeln auszuschließen. Aus diesen Überlegungen folgen dann einzelne Ausprägungen wie Gewaltenteilung, Verhältnismäßigkeitsprinzip etc. Letztlich geht es darum, dass sich die Staatsgewalt so weit zurücknimmt, dass Grund- sowie Menschenrechten zumindest in Ihrem Kernbereich beachtet werden und ein jeder Bürger seine Angelegenheiten ohne die Einmischung von anderen regeln kann (sog. Selbstbestimmungsrecht).

Begriffsverwirrung oder Begriffsmissbrauch

Wenn nun davon die Rede ist, der Rechtsstaat müsse gegen dieses oder jenes entschieden einschreiten bzw. dürfe dieses oder jenes nicht durchgehen lassen, ist etwas ganz anderes gemeint – um nicht zu sagen: das Gegenteil: Von hier wie da schallt immer häufiger der Ruf nach dem starken Staat, werden insbesondere härtere Gesetze und entschiedeneres Polizeihandeln zur Bekämpfung von Kriminalität (oder was auch immer man gerne darunter fassen möchte) gefordert usw. Man darf fragen, ob es sich um eine Begriffsverwirrung aus Unkenntnis handelt oder einen bewussten Begriffsmissbrauch. Jedenfalls ist derlei zutreffend mit dem aus dem englischen Sprachraum stammenden Begriff Law and Order bezeichnet, was mit Nulltoleranzstrategie übersetzt werden kann. Dem wohlverstandenen Rechtsstaatsbegriff läuft das fundamental zuwider, hat vielmehr tendenziell totalitäre Züge – ein Spiel mit dem Feuer.