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Aus gegebenem Anlass stelle ich kurz die aktuelle Rechtslage zu Cannabisfahrt und Strafbarkeit bzw. Ordnungswidrigkeit dar:

Cannabisfahrt und Strafbarkeit

Nach § 316 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer im (Straßen)Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. (Werden dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, beträgt die Dauer der Freiheitsstrafe sogar bis zu fünf Jahre, § 315c StGB; darauf wird hier aber nicht weiter eingegangen.)

Wann eine solche Fahruntüchtigkeit vorliegt, definiert das Gesetz nicht. Für Alkohol hat die Rechtsprechung Grenzwerte etabliert, die hier nicht dargestellt werden sollen. Für Drogen – so auch für Cannabis – wird neben einem Nachweis des Rauschmittelkonsums an sich stets der Nachweis rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit gefordert. Dabei sind die Anforderungen umso geringer, je höher die festgestellte Wirkstoffkonzentration ist. Typisch sind ungewöhnliche Fahrfehler wie z. B. das Fahren von Schlangenlinien oder andere Verhaltensweisen mit auffällig erhöhtem Risiko sowie schwerwiegende Einschränkungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, die sich unmittelbar negativ auf Fahrtüchtigkeit auswirken, wie z. B. mangelnde Ansprechbarkeit oder Unfähigkeit zu koordinierter Bewegung.

Cannabisfahrt und Ordnungswidrigkeit

Nach § 24a Abs. 2 StVG handelt derjenige ordnungswidrig, der unter der Wirkung eines (in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten) berauschenden Mittels – unter anderem Cannabis – im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine solche Substanz im Blut nachgewiesen wird. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

Die Ordnungswidrigkeit setzt also nach ihrem Wortlaut weder eine Mindestkonzentration noch Ausfallerscheinungen voraus. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jedoch entschieden (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2004  – 1 BvR 2652/03), dass die Regelung im Fall von Cannabis verfassungskonform so auszulegen ist, dass eine Wirkung in ihrem Sinne nur dann vorliegt, wenn eine solche Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut festgestellt wird, die es als zumindest möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.

Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang den Grenzwert von 1 ng/ml THC. Tetrahydrocannabinol (THC) erörtert, ohne dies abschließend zu entscheiden. Dieser Wert ist inzwischen höchstrichterlich bestätigt. Auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag 2022 wurde jetzt allerdings eine Erhöhung des Grenzwerts auf 3 ng/ml diskutiert, um eine Gleichbehandlung mit alkoholbedingten Fahrten herzustellen.

Bedeutung für die Verteidigungspraxis

Die Ahndung einer Cannabisfahrt als Straftat setzt voraus, dass neben dem Wirkstoffnachweis Fahruntüchtigkeit sicher feststeht. Das erfordert die Feststellung ungewöhnlicher Fahrfehler und/oder schwerwiegender Einschränkungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit.

Unterhalb besagten Grenzwertes kommt auch eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit jedenfalls nur bei Vorliegen von Ausfallerscheinungen in Betracht. Dabei müssen diese nicht das Niveau der Fahruntüchtigkeit gemäß § 316 StGB erreichen. Es ist jedoch fraglich, ob Wirkstoffkonzentrationen unterhalb des Grenzwertes überhaupt eine Wirkung entfalten. In dubio pro reo davon auszugehen, dass das nicht der Fall ist.

Hier finden Sie meine anderen Beiträge zum Betäubungsmittelstrafrecht:

https://strafverteidiger-schlei.de/category/betaeubungsmittel/